23. 3. 2017: Am vergangenen Montag, dem 20. 3. 2017 waren wir zum Tierschutzforum im Abgeordnetenhaus eingeladen: Jochen, Petra N und ich, RenaLu sind hingegangen. Prof. Spielmann, der letzte ehrenamtlich und unbesoldet tätige Tierschutzbeauftragte vom Land Berlin hat sich verabschiedet – und der tierschutzpolitische Sprecher der Linken, Herr Dr. Efler, hat erklärt, wie es mit dem Tierschutz in Berlin weitergehen soll:
- Es wurde eine mit A 15 dotierte Stelle für das Amt des Tierschutzbeauftragten ausgeschrieben. (siehe: https://www.berlin.de/politik-verwaltung-buerger/stellenausschreibungen/detail.php/16185 , mit Bewerbungsschluss zum 29. März 2017 )
- Dieser Tierschutzbeauftragte bekommt einen Beirat seiner Wahl.
- Die aktiven Tierschutz leistenden Vereine dürfen weiterhin ihre Kosten für die Unterbringung und Sanierung von notleidenden Tieren weitestgehend aus der eigenen Tasche bezahlen, ehrenamtliche tätige Mitarbeiter anlernen und beschäftigen, den an Tiernot leidenden Bürger beraten. Sie sollen aber weiterhin kein Mitspracherecht bei der Auswahl des Tierschutzbeauftragten bekommen. Und sie sollen auch nicht oder nur beratend an der Planung und Erstellung einer für Berlin sinnvollen Infrastruktur für den aktiven Tierschutz unter Einbindung aller eingetragenen Tierschutzvereine mitwirken dürfen.
- Die anwesenden Vertreter der großen Berliner Tierschutzvereine haben gefordert, dass sie an der Auswahl der Person des neuen Tierschutzbeauftragten beteiligt werden und auch an den Entscheidungen, die dieser für den praktischen Berliner Tierschutz fällt. Das wurde abgelehnt. Die kleinen Vereine haben dasselbe gefordert. Bei ihnen wurde es nicht nur vom Regierungssprecher abgelehnt sondern auch von den Vertretern der großen Vereine, v.a. Tierheim Berlin, die nicht wollen, dass die eingetragenen kleinen Vereine an Entscheidungen und auch an Zuwendungen beteiligt werden..
- Im Tierschutzforum haben sich in seiner bisherigen Form seit Anbeginn regelmäßig die Vorstände aller praktisch arbeitenden Tierschutzvereine getroffen. Da es für die kleinen Vereine kein interessantes Angebot für die Teilnahme gibt (denn es kostet Zeit und macht Arbeit), sind sie offenbar nicht mehr an der Teilnahme interessiert und bleiben weg. Das Forum soll abgeschafft oder in ein gelegentlich tagendes Gremium mit beratender Funktion umgewandelt werden.
In der Stellenausschreibung für das Amt des neuen Tierschutzbeauftragten fehlt unserer Meinung als Bewerbungskriterium, dass der Bewerber schon einmal mindestens zwei Jahre lang im praktischen Tierschutz mit mindestens 40 Wochenstunden auch nachts ehrenamtlich tätig gewesen sein sollte und sich von daher mit dem Bedarf von Tieren und Menschen mit Tieren in Berlin wenigstens ansatzweise auskennt. (im Kriterienkatalog heißt es nur: „Tätigkeit im Tierschutz erwünscht“)
Uns, die wir seit Anbeginn im TSF dabei sind, ist bei dieser letzten Sitzung in der Regentschaft von Prof. Spielmann nicht entgangen, dass von den 50-70 Vertretern der praktisch arbeitenden Berliner Tierschutzvereine, mit deren Zusammenbringung dieses Forum 2009 unter Dr. Lüdke begonnen hatte, jetzt höchstens noch 5 oder 6 anwesend waren. Die übrigen haben die Teilnahme an diesem Treffen im Lauf der Zeit zunehmend für Zeitverschwendung gehalten, weil es nie zu der versprochenen Beachtung und Linderung ihrer durch die Tierschutzarbeit erzeugten Nöte kam. Denn Dr. Lüdke hatte keine anderen Kompetenzen als die der Imagepflege des Landes. Das soll nun so bleiben – d.h. es ändert sich nichts, außer dass der nächste Tierschutzbeauftragte jetzt ein Gehalt dafür bekommt, dass er den praktischen Tierschutz der kleinen Vereine und der vielen privat und selbständig tätigen, nicht organisierten Bürger in der Stadt nicht unterstützt, weil er es weder will, kann noch darf.
Offenbar ist nicht geplant, dass der politische und der praktisch tätige Tierschutz zusammenkommen oder dass der politische Tierschutz auch nur bereit wäre, den praktisch tätigen überhaupt wahrzunehmen. Wie Prof. Spielmann in dieser Sitzung so richtig sagte: „Eltern bestrafen ihre Kinder am meisten durch Nichtbeachtung.“ Das hat unsere Landesregierung ja in vielen Bereichen mit den Bürgern gut drauf. Schade.
Aber bleiben wir mal konstruktiv:
Es kommt uns so vor als ob sich nun Politfunktionäre das Thema „Tierschutz“ unter den Nagel gerissen haben, ohne aber die praktische Tierschutzarbeit der Berliner und der kleinen Vereine, die sie weder kennen noch finanzieren noch mittun noch unterstützen wollen und damit den Druck der in dieser Branche arbeitenden Menschen zu verringern. Der Idiot, der so blöde ist, sich in Form von REAL EXISTIERENDEN Berliner Schutz am echten, lebendigen, hilfebedürftigen Tier zu betätigen, bleibt ungeholfen außen vor. Er wird nicht als Experte in Sachen praktische Tierschutzarbeit in dieser Stadt gesehen und zu Rate gezogen und schon gar nicht unterstützt sondern durch die Behördenvertreter beschimpft oder behindert.
Was wir nicht brauchen können, ist ein Tierschutzbeauftragte/r, der vom real existierenden Tierschutz keine Ahnung hat. Wir brauchen auch keinen, der neurotischen Bürgern und gehässigen Nachbarn, die meinen, Tierschutz vor ihrer Haustür verbieten zu müssen, auf dem Behördenweg vorab Recht gibt damit Ruhe ist im Kiez und die eigene Existenz durch jedwede, egal wie unsinnige oder teure Tätigkeit gerechtfertigt und den Tierschützern die ohnehin schwere Arbeit noch mehr erschwert wird.
Der REAL EXISTIERENDE TIERSCHUTZ, den die kleinen Vereine und die Bürger selber leisten müssen, weil er sonst nicht stattfindet, brauchen einen kompetenten Ansprechpartner beim Land Berlin, der sie kennt und versteht. Also ein/e Realo, ein/e Praktiker/in, einen, der weiß, was wir in den Bezirken an Räumen und Personal brauchen, wenn Tierschutz tatsächlich bedarfsgerecht stattfinden können soll.
Mindestens sollte sich dieser Landesbedienstete mit A 16 (also in Euro: ) daran interessiert sein, sich darüber schlau zu machen, wie der bislang weitgehend strukturlose, teilweise auch private, selbstbezahlte, nicht-politische Berliner Tierschutz funktioniert. Und auch wie es mit der Vortäuschung von Tierschutz im Lande aussieht.
Den ehrenamtlichen praktischen Tierschutz-Arbeitern fehlen hilfreiche allbezirkliche, vom Land Berlin finanzierte Anlaufstellen (und hotspots). Diese sollten enthalten: Unterbringungsmöglichkeit für gefundene und abzugebende Tiere (24 Std pro Tag), aufgenommene Tiere versorgendes Personal, mindestens einen Berater für Tierhalter und Bürger in Tiernot (u.a. telefonisch und 24 Std tgl)., tierärztliche Versorgungsangebote (evtl auch kostenlos bei Tierhaltern mit Einkünften unterhalb des Existenzminimums).
Ein kompletter Strukturwandel im Tierschutz wäre nötig: die Diskriminierung von praktisch arbeitenden Tierschützern als Gestörte und Idioten und die Behinderung ihrer Arbeit (die sicherlich kaum irgendwo so gut ist wie sie sein könnte, weil ja Geld und Personal dauernd fehlen) muss aufhören. Ersatzweise sollte das Land Berlin mit Hilfe der durch ihre jahrelange praktische Arbeit kompetenten Tierschützer, die sich mit der Bedarfslage auskennen, ein über die Stadt verteiltes Netzwerk erstellen, in dem alle Mitarbeitswilligen mit allen Hilfebedürftigen (Menschen und Tieren) zusammenkommen können. Im Idealfall sind diese Menschen dann auch noch kontakt- und kooperationsfähig und nicht ein hohler, verklüngelter Haufen.
Die Herstellung einer guten tierschützerischen Infrastruktur in Berlin braucht Kompetenz durch Wissen und Erfahrung in diesem Tätigkeitsfeld, die ich auch bei den willigen Politikern nicht erkennen kann – und es kostet Geld.
Ich weiß, dass ich hier Utopien anmelde. Aber Sozialutopien sind Zukunftsmusik – und mir macht es Spass, mich mit solchen „Erfindungen“ zu beschäftigen.
Wir kleinen Vereine, die wir uns im Berliner-Stadtkatzen-Verband zusammengetan haben, haben in den letzten 15 Jahren versucht, ein solches Netzwerk für den Katzenschutz in Berlin herzustellen. Es hat teilweise funktioniert, teilweise ist es an Überlastung gescheitert. Es hat uns, vielen Bürgern und vielen notleidenden Tieren geholfen. Es hat unsere Arbeit effektiv gemacht. Es hat Spaß gemacht, den Erfolg der eigenen Arbeit am geholfenen Lebewesen (d.h. Mensch und Tier) miterleben zu können. Aber es war auch ununterbrochene tägliche, manchmal zu schwere Tag- und Nachtarbeit für zu wenige Menschen. Nun sind wir alt. Nachwuchs für eine Fortsetzung unserer Arbeit und für eine berlinweit kooperierende, vernetzte, am leibhaftigen Tier schützerisch arbeitende Struktur ist nicht in Sicht. Wirklich sehr schade.
Na, schaun wir mal.